Wenn es um Genetik geht, denken viele sofort an Erbkrankheiten – doch auch bei Multipler Sklerose (MS) spielen genetische Faktoren eine Rolle: das X-Chromosom.

Menschen haben normalerweise 46 Chromosomen – darunter zwei Geschlechtschromosomen:

  • Frauen: XX

  • Männer: XY

Und genau hier beginnt es spannend zu werden.

 

Warum erkranken mehr Frauen an MS?

MS tritt bei Frauen etwa 2–3 Mal häufiger auf als bei Männern.

Dafür werden mehrere Ursachen diskutiert:

  1. Hormone (z. B. Östrogene, Progesteron)

  2. Immunsystem-Feinsteuerung

  3. genetische Unterschiede – insbesondere auf dem X-Chromosom

 

Was macht das X-Chromosom so besonders?

Das X-Chromosom enthält über 1.000 Gene, darunter viele, die mit der Regulation des Immunsystems zu tun haben. Manche dieser Gene stehen im Verdacht, Autoimmunprozesse zu beeinflussen – also genau jene Prozesse, die bei MS aus dem Ruder laufen.

Normalerweise wird bei Frauen eines der beiden X-Chromosomen pro Zelle „stillgelegt“ – das nennt man X-Inaktivierung.
Aber: Diese Inaktivierung ist nicht immer vollständig – in einigen Fällen sind beide X-Chromosomen aktiv, was zu einer verstärkten Immunreaktion führen kann.

 Das könnte ein Grund sein, warum Frauen häufiger an Autoimmunerkrankungen wie MS erkranken.

 

Was sagt die Forschung dazu?

In den letzten Jahren wurde das X-Chromosom auch im Rahmen der MS-Forschung intensiver untersucht. Dabei haben Studien Hinweise auf konkrete genetische Zusammenhänge gefunden:

  • In einer Multi-Gene-Studie (Gribbin et al., 2024) wurden bei Menschen mit MS 117 weiblich-spezifische X-Chromosom-Gene identifiziert, die immunologisch aktiv sind – gegenüber 114 männlich-spezifischen.

  • Eine frühere Studie (Herrera et al., 2007) spricht bereits von einem möglichen Einfluss einer X-chromosomalen Veranlagung auf das MS-Risiko.

  • Neuere Tiermodelle zeigen: Das X-Chromosom-Gen KDM6A kann Entzündungsprozesse im Gehirn beeinflussen – was ein möglicher Grund für die erhöhte Anfälligkeit bei Frauen sein könnte (z. B. Voskuhl et al.).

Diese Ergebnisse zeigen: Das X-Chromosom ist weit mehr als ein Geschlechtsmerkmal. Es wirkt tief ins Immunsystem hinein – und könnte mitverantwortlich sein, warum MS Frauen deutlich häufiger betrifft als Männer.

 

Fazit

Das X-Chromosom ist ein genetischer Schlüsselfaktor bei MS.
Es enthält viele Gene, die das Immunsystem steuern – und könnte eine Erklärung dafür liefern, warum Frauen häufiger an MS erkranken.

Die Forschung steht hier noch nicht am Ende – aber das X liefert spannende Hinweise auf die genetische Seite der MS.
Wichtig bleibt: Gene allein machen keine MS – es ist immer ein Zusammenspiel aus Veranlagung, Umwelt und Immunregulation.

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