Was ist das Epstein-Barr-Virus (EBV)?
- EBV ist ein sehr weit verbreitetes Herpesvirus. Über 90 % aller Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens damit, oft schon als Kind oder Jugendlicher.
- Meist verläuft die Infektion unbemerkt oder mit leichten, grippeähnlichen Symptomen. Wenn man sich als Jugendlicher oder junger Erwachsener ansteckt, kann es das bekannte Pfeiffersche Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) auslösen.
- Nach der Infektion bleibt das Virus, wie andere Herpesviren auch, lebenslang inaktiv im Körper, genauer gesagt in bestimmten Immunzellen (den B-Zellen).
Wie hängt EBV mit MS zusammen?
Die Forschung hat in den letzten Jahren sehr überzeugende Beweise für einen Zusammenhang gefunden:
- Fast alle MS-Patienten hatten EBV: Studien haben gezeigt, dass praktisch 100 % der Menschen mit MS Antikörper gegen EBV im Blut haben, was bedeutet, dass sie infiziert waren. In der Allgemeinbevölkerung ist dieser Wert zwar auch hoch, aber eben nicht ganz so hoch.
- Infektion als Voraussetzung: Eine große Studie hat gezeigt, dass das Risiko, an MS zu erkranken, nach einer EBV-Infektion um das 32-fache ansteigt. Das hat viele Wissenschaftler zu der Schlussfolgerung gebracht, dass eine EBV-Infektion eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von MS ist.
Wie könnte EBV die MS auslösen? (Die führenden Theorien)
Wissenschaftler sind sich noch nicht zu 100 % sicher über den genauen Mechanismus, aber es gibt zwei Haupttheorien:
- Molekulare Mimikry (Verwechslungsgefahr): ein Protein des EBV sieht einem körpereigenen Protein im Gehirn oder Rückenmark (z. B. einem Baustein der Myelinschicht) zum Verwechseln ähnlich. Das Immunsystem lernt, das Virus anzugreifen. Aufgrund dieser Ähnlichkeit greift es dann aber versehentlich auch die gesunden Myelinscheiden an. Es kommt also zu einer fatalen Verwechslung, die die Autoimmunreaktion bei MS in Gang setzt.
- Infizierte B-Zellen: EBV nistet sich in den B-Zellen des Immunsystems ein. Es wird vermutet, dass diese infizierten B-Zellen ins Gehirn wandern und dort die Entzündungsreaktion auslösen, die für die MS typisch ist. Das Virus verändert die B-Zellen so, dass sie zur „Schaltzentrale“ des fehlgeleiteten Immunsystems werden.
Es ist wichtig zu betonen: Die allermeisten Menschen, die eine EBV-Infektion durchmachen, entwickeln keine MS. Es müssen weitere Faktoren hinzukommen, damit die Krankheit ausbricht. Dazu gehören:
- Genetische Veranlagung
- Umweltfaktoren: z.B. Vitamin-D-Mangel, Rauchen oder auch die Ernährung.
Die Entdeckung dieses starken Zusammenhangs ist aber eine riesige Chance für die Zukunft. Es wird intensiv an Impfstoffen gegen EBV geforscht, die möglicherweise eines Tages MS verhindern könnten. Außerdem werden antivirale Medikamente gegen EBV als potenzielle neue Behandlungsform für MS untersucht.
Es ist ein komplexes Puzzleteil, aber ein sehr entscheidendes, um die Entstehung der MS besser zu verstehen.
Eine Antwort
Danke
Wieder ein interessanter Einblick und wieder was dazugelernt